«So blöd»
Mein Kunstlehrer hatte einen uralten Diaprojektor. Es war noch so ein Modell, bei dem man die Dias von Hand in eine Schiene schieben musste, um sie in den Lichtschacht des Projektors zu drücken. Auf der anderen Seite kam dann das vorher betrachtete Bild heraus und man konnte das nächste Dia einschieben. Eigentlich ist das ein recht einfacher und unverwüstlicher Mechanismus ohne überflüssige Bauteile. Nur Fingerkraft und ein wenig Metall – wenn es funktionierte. Aber das tat es nicht immer
Bei meinem Kunstlehrer funktionierte es nicht. Entweder brachte er das ‘verflixte’ Dia nicht in die Führungsschiene, oder es blieb im eisernen Griff der Maschine stecken. In den meisten Fällen führte verbissenes Herumfummeln nur dazu, dass die Technik frech und respektlos „zubiss“. So steckte am Ende nicht nur das mittlerweile verbogene Dia fest, sondern auch sein schmerzender Finger.
Nie um einen guten Kommentar verlegen, murmelte er dann stets: „Ich bin mir SICHER, dass sich die Dinge boshaft gegenüber dem Menschen verhalten können.“
Wer verhält sich hier gegenüber wem? Ist es wirklich das Stück Metall, das mir in den Finger schneidet? Es stimmt schon, ich neige auch manchmal zu der Annahme, mein Computer habe bockige Persönlichkeitszüge. Doch sehe ich das hauptsächlich dann so, wenn ich selbst genervt und bockig bin – wenn ich es gerade mit mir selbst nicht aushalte.
Es ist unangenehm, die eigenen Unzulänglichkeiten und Unsicherheiten zu spüren. Niemand ist gerne der „Blöde“. Schnell mache ich dann das „Ding“ zum „dummen Ding“ und spalte ab, was eigentlich zum Augenblick, zu meinem Leben, zum gottgeschenkten Leben gehört. Tragisch ist, dass wir nicht nur die Dinge so behandeln.
Blitzschnell projizieren wir unsere eigenen genervten Stimmungen, unseren Frust und Ärger, unsere eigene Angst, auf die anderen. So sind wir Menschen. Das Leben scheint uns dann einfacher, wenn wir die anderen als „blöd“ betrachten. Denn Scham und Reue anzuerkennen, schmeckt meist bitter. Auch wenn es im Grunde heilsamer wäre, weil uns der Himmel dabei begleitet.
Ich frage mich, ob wir alle nicht manchmal auch einen Ort bräuchten, an dem wir uns von Herzen „blöd“ anstellen dürften, ohne uns gleich geisseln zu müssen.
Das entspräche viel mehr unserer Natur, als der ewige Versuch, alles „richtig“ machen zu wollen. Wie sonst sind Reifen und Lernen möglich, ohne sich vorher ein wenig „blöd“ angestellt zu haben? Wie könnten wir sonst neue, heilsame Wege füreinander finden?
Wenn wir ganz still werden, im Gebet versunken, können wir erahnen, dass die geheimnisvolle Gegenwart Gottes in jedem Augenblick, in jedem Menschen leuchtet. Sie wartet darauf, entdeckt und freigelegt zu werden. Das geschieht nicht durch Perfektion und Können. Viel eher dadurch, gemeinsam mit dem Himmel vertrauensvoll und mutig dem Abgründigen in mir so lange ins Gesicht zu schauen, bis es im Herzen heilt.
Dann brauche ich keine „dummen“ Diaprojektoren, keine „bockigen“ Computer und keine „gemeinen“ Mitmenschen mehr, nur damit ich mich nicht „blöd“ fühle.