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Pastoralraum Muri AG und Umgebung
News Pastoralraum
News Vom 03. Dezember 2024

Als wäre es das erste Mal

Zu Beginn eines neuen Jahres laden wir uns oft ein, neu zu starten. Dabei denken wir an Vorsätze, die wir uns vornehmen, oder an Ziele, die wir erreichen möchten. Doch was wäre, wenn wir das neue Jahr mit einer anderen Haltung beginnen könnten – nicht als Könner, sondern als Anfänger?

Ich persönlich möchte gern immer wieder Anfänger sein. In allem, was ich tue und was ich bin, möchte ich mein Leben Augenblick für Augenblick neu entdecken – als wäre es das erste Mal. Nach 52 Jahren als Mensch, nach 25 Jahren als Seelsorger, nach 20 Jahren Ehe und bald 16 Jahren als Vater erfahre ich: Das Leben lebt nicht davon, was wir können, sondern davon, wie offen wir für das sind, was der Himmel uns schenken möchte.

Jesus sagt: „Wenn ihr nicht werdet wie die Kinder, könnt ihr nicht in das Himmelreich kommen“. Kinder sind Anfänger des Lebens. Sie sind neugierig, unvoreingenommen und voller Vertrauen. Wie oft haben wir als Erwachsene diese Haltung verloren, weil wir meinen, alles wissen und können zu müssen! Dabei liegt im Anfängergeist eine grosse spirituelle Kraft: die Offenheit, sich immer wieder neu von Gott berühren zu lassen.

Früher dachte ich, ich müsste mich überall beweisen. Besser sein. Mehr leisten. Alles können. Doch dieser Anspruch macht sehr schnell blind für das wirkliche Leben. Man läuft Gefahr, Bewunderung oder Ansehen mit Liebe zu verwechseln. Wenn wir uns selbst oder andere nur auf das Können oder auf die Leistung reduzieren, bleibt das Herz in der Tiefe leer. Wir stehen uns selbst im Weg.

Ein Anfänger dagegen weiss fast nichts. Ein Anfänger ist offen. Mit leeren Händen steht er da – bereit, das Geschenk des Augenblicks zu empfangen. Wer Anfänger ist, lässt sich überraschen. Atemzug für Atemzug wächst er in diesen, konkreten Augenblick hinein, ohne zu wissen, wohin der Weg führt. Alles bleibt möglich.

Vielleicht ist es genau das, was uns im Älterwerden an der Jugend fasziniert: diese geheimnisvolle Ahnung von der unergründlichen Weite und Kostbarkeit des Lebens. Als Jugendliche haben wir uns noch in unser Leben hineingefragt. Heute dürfen wir wieder neu lernen, Fragen zu stellen – echte, tiefe Fragen, die uns ins Staunen bringen. Selbst die Bibel ist voller Fragen, die uns einladen, das Herz zu öffnen. Denken wir nur an Gottes Frage an Adam: „Wo bist du?“ oder an Jesu Frage an die Jünger: „Für wen haltet ihr mich?“

Was wäre, wenn wir uns von der Faszination der reinen Leistung verabschiedeten? Wenn wir den schweren Rucksack des „Ich weiss schon“ ablegen und mit offenem Herzen lauschen würden, was der Himmel uns sagen möchte?


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